„Cross-Selling-Falle, Leistungsversprechen und Web 2.0“

Herbert Wagger  9 August 2011 18:41:10
Gastbeitrag von Dr. Andreas Kronabitleitner

Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass Banken teilweise die Anzahl ihrer Beratungsgespräche massiv erhöht haben, die Rentabilität im Kundengeschäft ist aber entweder nicht besser geworden oder hat sich sogar verschlechtert. Auf dem Papier steigen Cross-Selling-Raten. Hauptgrund dafür sind aber immer öfter kreative Gestaltungsmaßnahmen der Mitarbeiter wie gesplittete Verträge, nicht gelöschte Depots oder ähnliches. Führende Marktforscher berichten, dass sie keinen signifikanten Zusammenhang zwischen steigendem Querverkauf und höherer Kundenzufriedenheit feststellen können. Damit werden bisher unumstößlich gültige Glaubenssätze in Frage gestellt. Gleichzeitig berichten Personalverantwortliche von steigender Fluktuation und vermehrten Burn-out bei  Vertriebsmitarbeitern. All dies wird verständlich, wenn man sich die aktuelle Kaufkraftverteilung in der deutschsprachigen Bevölkerung ansieht. Demnach sind maximal 30 Prozent der Bankkunden für ein bedarfsorientiertes Beratungsmodell geeignet. Eine deutlich höhere Schlagzahl an umfassenden Beratungsgesprächen führt unweigerlich in die Cross-Selling-Falle. (http://www.consultingpartner.de/aktuelles/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen.html?&newsMode=detail&newsId=83)

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Banken, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen sich deshalb auf die „richtigen“ Kunden konzentrieren. Die besten tun genau das. Dazu braucht es aber eine klare Differenzierung von Marken- und Leistungsversprechen. Das Markenversprechen einer Bankengruppe richtet sich an alle bestehenden und künftigen Kunden und muss oberflächlich bleiben, um keine Enttäuschungen zu provozieren. Wirklich bindungsentscheidend kann nur ein individuelles Leistungsversprechen sein. Abhängig von der bankindividuellen Kapazität entscheidet der Vorstand – und nicht die Mitarbeiter selbst - , wer ihm als Kunde wertvoll genug erscheint. Aber nicht alle Kunden werden ein Leistungsversprechen in gleichem Maße schätzen. Rosinenpicker werden den Nutzen anders bewerten als dies bequemlichkeitsorientierte oder beratungsaffine Stammkunden tun. Keine Maschine der Welt kann das im Vorhinein einschätzen, auch wenn es immer wieder behauptet wird. Diese Entscheidung trifft alleine der Kunde.
Wenn ein Leistungsversprechen angenommen und als solches geschätzt wird gilt es, die geweckte Erwartungshaltung  bestmöglich zu übertreffen. Zentrales Element eines wertvollen Leistungsversprechens ist das „aktive Kümmern“ um alle finanziellen Belange des Kunden. Dies setzt ein  rasches Agieren des Beraters bei wesentlichen Neuerung und Veränderungen im finanziellen Umfeld voraus und erfordert eine konsequente Anpassung an die Arbeitsweisen und Kommunikationserwartungen.
An dieser Stelle klaffen Anspruch und Wirklichkeit aber noch meilenweit auseinander. Für immer mehr Kunden ist es nämlich Standard, aktuelle Informationen per twitter-Nachricht zu erhalten. Produktbewertung sind mittlerweile etablierte Entscheidungsgrundlagen in vielen Wirtschaftsbereichen. Seit Amazon gehören Produktempfehlungen nach dem Motto „Kunden kauften auch …“ zum guten Ton und sind Qualitätskriterium für eine effiziente Kundenorientierung. Derzeit scheint für viele Banken  die Präsenz auf facebook und das Sammeln von Freunden, die dann mit ansonsten per Massenmail kommunizierten Botschaften torpediert werden, auszureichen.

Die zeitgemäße und kommunikative Umsetzung eines Leistungsversprechens wird erst dann auch bei den Banken Einzug halten, wenn es gelingt, bestehende CRM-Anwendungen auf Basis gewohnter web 2.0 – features neu zu designen. Die Ermittlung von Kaufwahrscheinlichkeiten für Produktempfehlungen muss zum integralen Bestandteil von CRM-Systemen werden. Nur dann, wenn das gewohnte IT-Umfeld der Berater der Kommunikationswelt der Kunden entspricht lässt sich die gewünschte Interaktion mit den Kunden auch tatsächlich realisieren. Aktuelle Erhebungen zeigen aber, dass sich die führenden IT-Häuser und Rechenzentren der Banken, sowohl in Österreich aber auch in Deutschland, derzeit noch mit ganz anderen Themen beschäftigen. Deshalb wird es auch für die Bankbranche notwendig sein, über den Tellerrand zu schauen und bestehendes Know-How zu integrieren.


Dr. Andreas Kronabitleitner ist Strategieberater für Regionalbanken. Inhaltlich konzentriert er sich auf die nachhaltige Entwicklung von Vertriebsstrategien im Privat- und Firmenkundengeschäft, regional liegt sein Beratungsschwerpunkt derzeit in Nordrhein-Westfalen, wo er intensiv nachgefragt wird.  Vor seiner Beratertätigkeit war er Vertriebsleiter  Raiffeisen Wien-Niederösterreich und davor Marketing- und Vertriebsleiter Raiffeisen Oberösterreich. In diesen Funktionen entwickelte er unter anderem den Großteil der aktuell bei Raiffeisen Österreich genutzten Beratungsprogramme.
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